Das berühmte „Glas Rotwein pro Tag“ soll angeblich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. Aber warum eigentlich? Rotwein erhält – anders als Weißwein – Resveratrol. In unterschiedlichen Studien fanden Forscher*innen heraus, dass Resveratrol einen Botenstoff im Körper aktiviert, der Blutgefäße vor Verkalkung schützt und so z. B. Herzinfarkte weniger wahrscheinlich macht. Daraus leiten einige Wissenschaftler*innen ab, dass Rotwein in Maßen gut fürs Herz sein kann.
Was ist dran am "gesunden Rotwein"?
Das Problem an der Sache: Die entsprechenden Studien beziehen sich auf sogenannte In-Vitro-Versuche. „In Vitro“ bedeutet so viel wie „im Glas“: Gemeint sind Labortests, die außerhalb des menschlichen Körpers stattfinden. Doch die Ergebnisse solcher Versuche lassen sich nicht ohne weiteres auf die echte Welt übertragen, wie mehrere Wissenschaftler bestätigen:
„Versuche mit Einzelsubstanzen in der Kulturschale sagen nicht viel aus.”
„Im Tierversuch und in In-vitro-Studien kann Resveratrol Gefäßverkalkungen verhindern, aber beim Menschen fehlen robuste klinische Studien, die irgendeine präventive Wirkung belegen.”
Im Reagenzglas funktioniert's, bei Menschen nicht
Dass Rotwein kein Gesundheits-Wundermittel ist, konnten Forscher*innen mittlerweile in mehreren breit angelegten Versuchsreihen mit menschlichen Proband*innen zeigen. In einer zwei Jahre dauernden Studie mit Diabetespatient*innen wurde überprüft, ob gemäßigter Rotweinkonsum tatsächlich der Verkalkung von Gefäßen vorbeugt.
Das Ergebnis: Die Wissenschaftler*innen konnten nur in wenigen Fällen einen positiven Effekt von Rotwein feststellen – und wenn, war der Effekt minimal. So minimal, dass man deswegen keineswegs pauschal behaupten kann, Rotwein sei gesund.
Geld regiert die (Studien-)Welt
Aber wie kann es dann sein, dass es nicht nur eine, sondern viele Studien gibt, die Rotwein als „gesundes“ Getränk darstellen? Die Lösung ist einfach: Häufig kommen derartige Ergebnisse bei wissenschaftlichen Testreihen zustande, die die Weinindustrie finanziell unterstützt.
Das ist gar nicht so überraschend, schließlich gehen auch Öl-, Chemie- oder Tabakkonzerne ähnlich vor. Bei allen Studien und Veröffentlichungen gilt also: Es lohnt sich, einen Blick darauf zu werfen, wer hier was genau erforscht hat – und wer von einem bestimmten Ergebnis profitiert.
- Hua, Yuan und Ronen Marmorstein (2013): Red Wine, Toast of the Town (Again), [online]
- Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (2016): Neue Studien: Alkohol schützt das Herz doch nicht, [online]
- Golan, Rachel et al. (2018): Effect of wine on carotid atherosclerosis in type 2 diabetes: a 2-year randomized controlled trial, [online]