Nicht alles Ess- und Trinkbare, was scheinbar keinen Alkohol enthält, ist wirklich alkoholfrei – selbst wenn „alkoholfrei“ auf dem Etikett steht. Das hat zwei sehr unterschiedliche Gründe: Gesetzliche Bestimmungen und biochemische Prozesse.
Was "alkoholfrei" wirklich bedeutet
Wann und wie Alkohol in Essen und Getränken in Deutschland angegeben werden muss, ist in verschiedenen Verordnungen geregelt. Grundsätzlich gibt es eine Kennzeichnungspflicht für alle Lebensmittel, die Alkohol als Zutat enthalten. Bei Getränken gibt es aber Ausnahmen:
- Der Alkoholgehalt von alkoholischen Getränken muss erst ab 1,2 % Vol. (Volumenprozent) angegeben werden – darunter nicht
- Getränke mit weniger als 0,5 % Vol. Alkohol dürfen als „alkoholfrei“ bezeichnet werden
- Bei nicht-alkoholischen Erfrischungsgetränken (also zum Beispiel Limonaden) muss der Alkoholgehalt ab 2 Gramm Alkohol pro Liter (ca. 0,25 % Vol.) angegeben werden
- Bei Fruchtsäften muss der Alkoholgehalt ab 3 Gramm pro Liter (ca. 0,38 % Vol.) angegeben werden
Wichtig: Diese Grenzwerte gelten für den Zeitpunkt der Abfüllung – der Alkoholgehalt kann aber durch Gärung oder Fermentation in der Flasche ansteigen! Auch bei Essbarem gilt die grundsätzliche Kennzeichnungspflicht, Ausnahmen gibt es hier aber ebenfalls:
- Lose verkaufte Lebensmittel: Für alles, was z. B. in der Eisdiele, beim Bäcker oder im Restaurant verkauft wird und Alkohol enthält, gibt es keine Kennzeichnungspflicht.
- Alkohol als „technischer Hilfsstoff“: Wenn Alkohol z. B. als Trägerstoff für Aromen verwendet wird, gilt er nach dem Lebensmittelgesetz nicht als Zutat. Dann muss er nicht als Inhaltsstoff auf Produktverpackungen genannt werden.
9 "alkoholfreie" Lebensmittel mit Alkohol
So weit die rechtlichen Bestimmungen – aber was bedeutet das in der Praxis? Hier sind neun Beispiele für „alkoholfreie“ Lebensmittel, die nicht frei von Alkohol sind.
- Alkoholfreies Bier
- „Alkoholfreies“ enthält in den meisten Fällen Alkohol – nur eben weniger als 0,5 % Volumenprozent. Das steht aber auch so auf dem Etikett. Inzwischen gibt es allerdings auch Biere mit 0,0 % Alkohol, die extra gekennzeichnet sind.
- Alkoholfreier Wein, Sekt, Gin, ...
- Für diese Getränke gilt dasselbe wie für alkoholfreies Bier: Solange unter 0,5 % Vol. Alkohol drinstecken, dürfen sie sich „alkoholfrei“ nennen.
- Fruchtsäfte
- Bei Fruchtsäften liegt die Grenze zur „Alkoholfreiheit“ bei ca. 0,38 % Vol. zum Zeitpunkt der Abfüllung in die Flasche. In der Flasche beginnen sie zu gären, wobei zusätzlicher Alkohol entsteht. Deshalb kann der Alkoholanteil im Saft über den Grenzwert ansteigen, sodass das Getränk bei einer erneuten Messung theoretisch gar nicht mehr als „alkoholfrei“ gelten dürfte.
- Fertigessen mit Kennzeichnung „enthält Aroma“
- „Enthält Aroma“ ist ein Hinweis, den du auf vielen Fertigsaucen, Tütensuppen und ähnlichem findest. In solchen Aromen steckt oft Branntwein oder anderer Alkohol. Weil er in diesem Fall nur ein Trägerstoff und keine Zutat im rechtlichen Sinn ist, steht er nicht auf der Zutatenliste.
- Bananen
- Die leckere gelbe Frucht kann bis zu 0,6 Volumenprozent Alkohol enthalten. Hier gilt: Je reifer (und gelber) die Banane, desto mehr steckt drin. Der Grund: Der hohe Zuckergehalt von Bananen setzt gepaart mit natürlich vorkommenden Hefepilzen während der Reifung einen Gärungsprozess in Gang, bei dem Alkohol entsteht.
- Kuchen
- Je nach Teig kann genau wie beim Brot auch in Kuchen Alkohol versteckt sein. Außerdem: Wenn du dir ein unverpacktes Tortenstück direkt beim Bäcker kaufst, steht nicht unbedingt dabei, ob die Cremefüllung Alkohol enthält. Hier gilt: Wenn du sichergehen willst, frag lieber nach!
- Sauerkraut
- Sauerkraut entsteht aus Weißkohl, der fermentiert wird. Dabei sind Bakterien am Werk, die Kohlenhydrate umwandeln – unter anderem zu Milchsäure und Alkohol. Fertiges Sauerkraut enthält deshalb bis zu 0,5 % Vol. Alkohol.
- Essig
- Okay, Essig an sich ist kein „Essen“, wird aber gern als Zutat beim Kochen genutzt. Manche Essigsorten enthalten Alkoholzusätze. Diese müssen in der Inhaltsbeschreibung angegeben werden. Anstatt „Alkohol“ kann und darf dort aber z.B. auch „Äthanol“, „Ethanol“, „Weingeist“, „Spiritus“ oder eine chemische Formel stehen.
- Brot
- Bei Brotsorten, die Hefe enthalten und bei Aufback-Brötchen oder Croissants aus der Dose sieht es ähnlich aus. Auch hier entsteht durch Gärung Alkohol. Zwar verflüchtigt er sich beim Backen des Brotes teilweise, ein Rest bleibt aber übrig: oft bis zu 0,3 Volumenprozent.
Kann alkoholfreies Bier betrunken machen?
„Alkohofrei“ bedeutet also nicht „enthält überhaupt keinen Alkohol“. Ist das ein Grund zur Sorge?
Wie so oft gilt: Es kommt darauf an. Du müsstest zum Beispiel 9 oder 10 Liter Fruchtsaft trinken, um so viel Alkohol wie in einem halben Liter Bier aufzunehmen. Auch der Alkoholgehalt in Obst, Gemüse oder Fertiggerichten ist so gering, dass du davon weder betrunken noch fahruntauglich wirst (es sei denn, du isst kiloweise Bananen in kürzester Zeit).
Bei Kuchen aus der Konditorei sieht es ein wenig anders aus – schließlich weißt du nicht, mit wie viel Likör die Tortencreme angerührt wurde.
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2015): Leitsätze für weinähnliche und schaumweinähnliche Getränke, [online]
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2020): EU-weit einheitliche Lebensmittel-Kennzeichnung, [online]
- Bundeszentrum für Ernährung (2018): Fruchtsäfte: Vitaminreiche Getränke, [online]
- Das Erste (2019): Versteckter Alkohol in Lebensmitteln, [online]